Wer andern eine Wiese sät
Wer andern eine Wiese sät, ist selber schuld. Es gibt einige, die vielleicht so denken, wenn sie diesen Beitrag lesen. Aber vielleicht seid ihr auch meiner Meinung: so etwas sollte es viel öfter geben. Und daher möchte ich mal meine Erfahrungen dazu teilen.
Da ich ein paar Links teile, mache ich noch darauf aufmerksam, dass diese unbezahlte Werbung sind.
Worum geht es?
Unser Grundstück grenzt an zwei Straßen. Die hinten anliegende Straße wurde vor zwei Jahren neu gemacht. Da sie auf die Rückseite eines Schulgeländes führt und somit zum Teil auch ein Schulweg ist, wurde sie zu einer Spielstraße ausgebaut. In Spielstraßen gibt es meist keine Gehwege. Fahrzeuge müssen Schrittgeschwindigkeit fahren, um Menschen nicht zu gefährden. In diesem Fall möchte man den Verkehr auch weitgehend aus der Straße halten, weshalb es nur wenige öffentliche Parkplätze gibt.
Hinter unserer Gartenmauer befand sich nun also eine etwa 15 x 2 Meter lange Grünfläche, auf der seitens der Gemeinde Rasen geplant war. In unserem Ort sind aufgrund der Dürre der letzten Jahre die meisten Rasenflächen im Sommer stark verbrannt und sehr unansehnlich. Das Bewässern solcher Flächen mit Grundwasser halte ich langfristig für fragwürdig, da der Grundwasserpegel immer weiter sinkt. Daher entschied ich mich, eine Wildblumenwiese anzulegen.
Warum eine Wildblumenwiese?
Eine Rasenfläche ist arbeitsintensiv und wenig ressourcenschonend. Sie benötigt einen regelmäßigen Schnitt, Düngung und jede Menge Wasser, um gut auszusehen und wachsen zu können.
Eine Wildblumenwiese kommt mit weitaus weniger Wasser zurecht, schon allein, weil sie höher wächst. Sie kann Wasser besser aufnehmen und halten. So kann auch mehr Regenwasser in das Erdreich versickern. In Zukunft brauchen wir innerorts Flächen, wo Regenwasser versickern kann, damit nicht so viel in die Kanalisation fließt. Wir sichern so unser Trinkwasser für die Zukunft.
Eine Blumenwiese ist an das regionale Klima besser angepasst.
Sie benötigt keine spezielle Erde, sondern einen abgemagerten Boden. Wildblumen wachsen sogar auf Geröllflächen.
Sie benötigt pro Jahr nur ein bis zwei Schnitte.
Vertrocknet sie doch, versamt sie sich und sorgt so selbst für ihren Erhalt.
Das Nahrungsangebot für unsere Insekten wird immer weniger. Im Jahr 2017 hat der Entomologische Verein Krefeld mit seiner Studie gezeigt, dass über einen Zeitraum von 30 Jahren die Biomasse der Fluginsekten in Schutzgebieten um rund 75 Prozent zurückgegangen ist. Insekten sind aber für die Bestäubung wichtig und bieten Nahrung für Vögel, Fledermäuse, Igel und andere Kleintiere. Mehr Nahrungsangebot für Insekten fördert die Diversität.
Regionale Insekten benötigen regionale Blumen als Nahrungsquelle. Es gibt viele Insekten, die auf einzelne Pflanzen spezialisiert und somit auf sie angewiesen sind.
Es gibt also einige Gründe, um eine Blumenwiese anzulegen.
Wer andern eine Wiese sät,
muss einiges beachten, wenn dies auf öffentlichem Straßenland passieren soll. Es reicht nicht, einfach mal ein paar Samenbomben in die Gegend zu werfen. Wir sind hier ja schließlich im Land der Bürokratie. Hier ist alles geregelt, vor allem, wenn es um öffentliches Straßenland geht.
Man darf nicht so einfach einen Grünstreifen bepflanzen. Auch wenn das Ordnungsamt vielleicht hier und da nicht so richtig hinschaut, kann es passieren, dass man plötzlich aufgefordert wird, alles wieder zu entfernen.
Jede Nutzung von öffentlichem Straßenland bedarf einer Genehmigung. Auch wenn man nur ein paar Blümchen pflanzen möchte. Vielleicht würde die ein oder andere Gemeinde ein Ehrenamt daraus machen. In unserer Gemeinde ist das nicht so. Hier wurde auf unsere Anfrage vom Fachbereich Verkehr und Grünflächen ein Verwaltungsakt erlassen, den wir mit 30,-Euro bezahlen mussten. Er enthielt die Sondernutzungsgenehmigung zur Anlage einer regionalen Blumenwiese mit Auflagen. So darf die Wiese nicht höher als 50 cm wachsen. Ein Streifen von 50 cm zur Straße hin, sowie der Zugang zu einem Versorgungskasten ist kürzer, also unter 20 cm zu halten.
Wie pflanzt man regional?
Es wird viel Saatgut für Blumenwiesen angeboten. Aber hier sollte man unbedingt darauf achten, dass das Saatgut regional ist.
Deutschland wurde in 22 Regionen eingeteilt, um Saatgut regional zu unterteilen. Mein Wohnort gehört zum Ursprungsgebiet Ostdeutsches Tiefland. Also habe ich gezielt Saatgut für eine Wildblumenwiese aus diesem Gebiet bestellt. Für den niedrig zu haltenden Streifen habe ich Pflasterfugensaatgut bestellt in der Hoffnung, dass der Streifen sich von allein niedrig hält.
Da sich die Straßenarbeiten sehr lange hinzogen und wir die Wiese nicht vor November anlegen konnten, habe ich erst eine günstigere, nicht regionale Blumenmischung ausgesät. Im Laufe des Winters erwies sich das als eine gute Entscheidung.
Im Winter habe ich weiter recherchiert, welche Wildblumen in Brandenburg wachsen, die eher selten vorkommen. Hier bin ich beim Nabu Brandenburg fündig geworden und habe dann gezielt Saatgut dieser Pflanzen bestellt. Zwar sind da auch Pflanzen bei, die eher auf Feuchtwiesen wachsen, aber Wildblumen sind manchmal sehr anpassungsfähig. Daher lasse ich es auf einen Versuch ankommen und hoffe, dass sich irgendwann Wiesensalbei, Heilziest, sibirische Schwertlilie, Wiesenschlüsselblume, graue Skabiose, Kuckucks-Lichtnelke und großer Wiesenknopf zeigen werden.
Das Anlegen der Wiese
begann damit, dass wir die Rasensaat, die von der Straßenbaufirma versehentlich doch ausgebracht wurde, haben keimen lassen, um sie dann wieder abzutragen. Da es bereits November war, säten wir zunächst nur die günstige Saat aus. Das war gut so, denn wir unterschätzten die Autofahrer, die nicht bereit waren, sich an Verkehrsregeln zu halten. Und so wurde der Streifen von Lieferfahrzeugen und gestressten Eltern zugeparkt. Es entstanden tiefe Spurrillen und somit Verdichtungen. Ein erklärendes Schild brachte keinerlei Änderung. Als der Boden taute, sperrten wir den Bereich ab. Nur das brachte eine Änderung.
Mit beginnendem Frühjahr versuchte ich, die geschädigten Bereiche wieder glatt zu harken und brachte erneut Saat aus. Als uns klar wurde, dass es ohne eine optische Sperre nicht ging, ersetzten wir das Flatterband durch ein Seil mit Stoffstreifen.
Wie schaut’s aus?
So eine Wiese verändert sich im Laufe der Zeit. In den Saatgutmischungen sind immer einige Samen bei, die einen schnellen Erfolg zeigen sollen. Die spannenden Blumen keimen erst deutlich später und brauchen ihre Zeit. So blühten im ersten Jahr Raps, Inkarnatklee, Kornblumen und Kamille. Ich bin gespannt, ob sich im zweiten Jahr Wiesensalbei und co. zeigen werden.
Die Wiesenpflege
Nach der Frühjahrsaussaat wurde es trocken. So habe ich die Wiese in den ersten Wochen nach der Aussaat regelmäßig gewässert. Zum Juli hin wurde sie dann trocken. Ich habe sie dann in Abschnitten nach und nach runtergeschnitten. Das Schnittgut habe ich zum Versamen ein paar Tage liegen lassen. Es dauerte nicht lange und alles wuchs wieder.
Die meiste Arbeit, die ich fortlaufend habe, ist das Entfernen von Unrat. Jedes Wochenende sammle ich Müll. Die Kinder hinterlassen Verpackungen diverser Süßigkeiten, die Erwachsenen eigentlich alles, zum Beispiel Strafzettel, Dönerpapier, Teebeutel und jede Menge Zigarettenkippen. Und natürlich Hundekot. Es ist schade, dass hier gerade Erwachsene ihre Vorbildfunktion gegenüber Kindern immer wieder vergessen.
Wer andern eine Wiese sät,
wird manchmal nicht verstanden. Wiesen sehen unordentlicher aus als Rasenflächen und sicher macht es den Eindruck, als würden wir uns als Hauseigentümer nicht richtig kümmern. Anwohner meinen teilweise, man würde seinen Garten auf Kosten aller erweitern.
Dabei wollten wir den Bereich eigentlich in erster Linie für andere schöner machen. Wir haben die Mauer gestrichen, die Wiese angelegt, um anderen einen schönen Anblick zu bereiten. Ich sehe den Bereich gar nicht, er liegt ja- wie gesagt- hinter einer Mauer. Weiter wollten wir eine Nahrungsquelle für Insekten schaffen und somit etwas für die Umwelt machen.
Du willst eine Wiese säen?
Eine Blumenwiese kann man auch im eigenen Garten säen. Hierfür habe ich ein paar Tipps zusammengefasst:
- Rasensaat wurde so gezüchtet, dass die Wurzeln einen Teppich bilden, der Unkraut keinen Raum bietet. Will man also einen Teil des Rasens in eine Wiese umwandeln, hilft es nicht, einfach nur Saatgut darauf zu streuen. Der Rasen sollte bestenfalls entfernt oder wenigstens vertikutiert werden vor der Aussaat. Es gäbe auch die Möglichkeit, den Rasen einfach nicht mehr zu düngen und abzuwarten, dass sich von selbst etwas ansiedelt. Das ist aber ein langwieriger Prozeß, der mitunter unschön aussieht.
- Um eine Blumenwiese für heimische Insekten anzulegen, sollte man gebietseigenes Saatgut säen. Hier findet man vom Nabu empfohlene Bezugsadressen. Hier kann man schauen, in welcher Region man wohnt.
- Eine Blumenwiese benötigt mageren Boden, also keine Pflanzende oder Kompost und wenn, dann nur mit Sand gemischt. Auch Dünger ist fehl am Platz, da er nur die stickstoffliebenden Pflanzen stark macht.
- Für eine gleichmässige Aussaat kann man das Saatgut mit Sand (Mischung 1:10) mischen. So lässt sich das oft filigrane Saatgut leichter und gleichmäßiger verteilen.
- Eine Wiese sollte nur ein bis zwei Mal im Jahr gemäht werden. Sie sollte nicht komplett auf einmal gemäht werden, sonst hilft man den Insekten nicht, sondern vernichtet sie. Die Maht sollte ein paar Tage liegen bleiben, damit sie sich Versamen kann. Dann muss sie aber entfernt werden, denn die Wiese braucht keinen Dünger in Form von vergehendem Schnittgut.
- Das Aussehen der Wiese verändert sich, da erst Einjährige blühen. Die Zweijährigen zeigen sich erst im Folgejahr.
- In den ersten Wochen nach der Aussaat sollte man für gleichmässige Bewässerung sorgen. Später ist dies nicht mehr nötig.
- Eine Blumenwiese kann im Frühjahr oder Herbst angelegt werden. Bei uns waren die letzten Frühjahre eher trocken und der Herbst feucht. Daher kann es eine Menge Wasser sparen, wenn man die Wiese im Herbst anlegt.
- Willst du eine Wiese außerhalb deines Gartens anlegen, denk daran, dir die Genehmigung dafür einzuholen.
6 Kommentare
Jeanne
Liebe Steffi,
na, wenn das nicht Gedankenübertragung war, dann weiß ich auch nicht. Tatsächlich musste ich heute schon ein paar Mal an dich denken, und habe mich gefragt, WAS du wohl so treibst. JETZT weiß ich es.
Und ich kann nur sagen: WOW!! Ganz großen Respekt! Für deine Mühe, deinen Enthusiasmus, und fast schon Passion. Ich bewundere auch, wie du dich nicht unterkriegen lässt, trotz dieser Ignoranz (oder ist es schon Dummheit) deiner Mitmenschen. Fassungslos saß ich vor´m Laptop und kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Da machst du es diesen Bälgern und dieser Mütter-Mafia schön und sie danken es, indem sie drüberfahren und alles zumüllen. Was gäbe ich dafür, Mitstreiterinnen wie dich in meiner Nähe zu haben. Ich kämpfe nämlich auch ganz oft auf verlorenem Posten und alleine gegen Windmühlen. Aber so wie du auch, werde ich mich nicht unterkriegen lassen. Bei uns saßen vor einiger Zeit die Gemeinderatsmitglieder zusammen um zu beratschlagen, ob man „eh-da“- Flächen mit Wildblumen bepflanzen soll. Stattdessen hat man unseren Mini-Auwald zum Jagdgebiet erklärt! damit unser Bürgermeister mit seinen Best-Buddies ihrem Hobby fröhnen können. Noch Fragen??? (Die eh-da-Flächen waren somit vom Tisch! :((( Naja, wir sind eh gerade wieder auf dem „Absprung“ Weil hier wollen wir auf keinen Fall bleiben!!
Kennst du eigentlich das Buch: „Anstiftung zum gärtnerischen Ungehorsam“ von Christiane Habermalz? Das ist sooo amüsant zu lesen…
Freue mich auf jeden Fall, dass du wieder da bist, und hoffe, wieder ganz viel von dir zu lesen.
Viele liebe Grüße
Jeanne
Frau Pratolina
Hallo Liebe Jeanne,
So schön, von Dir zu hören, obwohl ich mich hier so furchtbar rar gemacht habe. Natürlich ist noch deutlich mehr passiert im letzten Jahr und nach und nach werde ich mal darüber berichten.
Das Buch kenne ich zwar, habe es aber noch nicht gelesen. Vielleicht leihe ich es mal in der Bibliothek aus, wenn ich es geschafft habe, meinen schon bestehenden Lesestapel zu verringern (hüstel).
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Du Dich fühlst. Ich denke, die Themen Umwelt und Naturschutz sind nicht für viele Menschen wichtig. Man möchte sich mit solchen Dingen nicht auseinander setzen, weil es unbequem ist.
Bei meiner Wiese sind es nicht nur Kinder und deren Eltern, sondern genauso das Schulpersonal oder die Anwohner.
Ich denke aber, dass man nur auf solch eine Art und Weise auf diese Themen aufmerksam zu machen. Und für mich ist es einfacher, so tätig zu sein, als mich wöchentlich über den trockenen Rasen zu ärgern.
Lass dich nicht ärgern!
Liebe Grüße
Steffi
Jeanne
Hi Steffi,
Ich schon wieder *grins*
Wenn du mir deine Adresse nochmal zukommen lässt, schicke ich dir das Buch gerne zu. Ich habe es schon 2 Mal „verschlungen“ und finde, es darf nicht im Bücherregal stehen, sondern MUSS in die Welt hinaus, hihi… 😉
(Meine mail-adresse: ideenmuckla@web.de)
Liebe Grüße
Jeanne
Frau Pratolina
Oh, liebe Jeanne, das ist aber nett. Ich habe dir eine Mail geschrieben.
Liebe Grüße und danke schön,
Steffi
Beate Kik
Das mit den regionalen Sorten ist sehr wichtig. Ich bin in meinem Garten so weit gegengen, den Mutterboden mit der Karre abzutragen, um einen mageren Boden zu haben. Ich habe Danthus carthusianorum und Armeria maritima Samen im Glienicker Park auf der Wiese gesammelt aber auch auch etwas Festuca ovina ausgesät, da musste ich dann im Frühjahr immer mähen wegen der Samen von Festuca. Die Kartäusernelken und Grasnelken kamen sehr schön. Ich musste nie wässern.
Der Nabu hat hier in Wilmersdorf auf dem Mittelstreifen auch sowas versucht,es wurde ein kompletter Reinfall, weil sie den Boden wohl vorher verbessert haben und alles hohes Unkraut war, jedenfalls keine trockene Wiese
Frau Pratolina
Liebe Beate,
Das hört sich ja nach einem spannenden Garten an, den du hast. Ich bin sehr beeindruckt, dass du das so durchgezogen hast und sogar den Mutterboden abgetragen hast. Das sieht bestimmt schön aus, wenn die Nelken auf der Wiese blühen.
Dass dem Nabu so etwas passiert, verstehe ich nicht.
Liebe Grüße
Steffi